Auch der französische Chemiker Théophile-Jules Pelouze (1807–1867) befasste sich 1838 mit dieser Substanz. Allerdings verwendete er Papier. Das daraus entstandene Produkt nannte er »Pyroxylin« [37], [38], [39], [40], [41].
6.1 Schießbaumwolle
- Herstellung: Nitrierung von Baumwolle
- Verwendung: Treibladung, Zelluloid, Pyrotechnik
- Detonationsgeschwindigkeit: 6300 m/s
- Schlagempfindlichkeit: 3 J
6.2 Nitroglycerin und das wenig noble Dynamit
Auch der Name Nitroglycerin ist falsch, da es sich hier ebenfalls um ein Nitrat handelt. Der richtige Name lautet also Glycerintrinitrat (Propantrioltrinitrat).
- Herstellung: Nitrierung von Glycerin
- Verwendung: Sprengstoff, Dynamitproduktion, Medizin
- Detonationsgeschwindigkeit: 7600 m/s
- Schlagempfindlichkeit: 0.2 J
Pelouze berichtete seinem ehemaligen Assistenten, von 1840–1842, Ascanio Sobrero (1812–1888), einem Arzt und Chemiker aus Turin, von der Schießbaumwolle und den anderen neuen Stoffen. Sobrero experimentierte am Anfang mit Schießbaumwolle, aber er untersuchte auch andere Substanzen für die Umsetzung mit Nitriersäure. So versetzte er 1847 eine Mischung aus Schwefelsäure und Kaliumnitrat mit Glycerin. Sobrero erhielt daraus eine leicht milchige Flüssigkeit, die mit Wasser nicht mischbar ist. Als er einige Tropfen in einem Glas erhitzte, kam es zu einer heftigen Explosion. Daraufhin nannte er seine Entdeckung "piroglicerina (pyrophores Glycerin)«. Bei einer späteren Explosion von Nitroglycerin wurde Sobreros Gesicht für immer entstellt.
Dieser Vorfall veranlasste Alfred Nobel, das Nitroglycerin ungefährlicher zu machen. Er probierte verschiedenste Bindemittel, u. a. Sägespäne, Holzmehl, Ziegelstaub etc.
Aber erst die Verwendung von Kieselgur brachte 1866 den gewünschten Erfolg. Beim Verrühren von Nitroglycerin mit Kieselgur entsteht eine beliebig portionierbare pastöse Masse, die weder schlag-, stoß- oder reibungsempfindlich ist.
Das Abfeuern einer Schusswaffe entwickelte, durch die Verwendung von Schwarzpulver, sehr viel Rauch. Ein Schlachtfeld ist durch diesen Qualm lange Zeit nicht überschaubar. Daher entwickelte Nobel aus der Sprenggelatine das rauchschwache Pulver »Ballistit«, welches er 1887 patentieren ließ. Durch seine langsame Verbrennung eignet sich Ballistit hervorragend als Treibladungspulver für Munition. Es ermöglichte die Entwicklung von Maschinengewehren [46], [47], [48], [49], [50], [51], [52].
6.3 Pikrinsäure (2,4,6-Trinitrophenol) und ihre Salze (Pikrate)
- Herstellung (heute): Sulfonierung und anschließende Nitrierung von Phenol
- Detonationsgeschwindigkeit: 7350 m/s
- Schlagempfindlichkeit: 7.4 J
1771 ließ Peter Woulfe (1727?–1803) Salpetersäure auf Indigo einwirken. Auch er erhielt eine gelbe Flüssigkeit, die in der Lage war, Seide und andere Textilien zu färben. Hausmann stellte 1788 erstmals gelbe Pikrinsäure her.
Der Chemiker Jean Joseph Welter (ca. 1763–1852) stellte 1799 durch Behandlung von Seide mit Salpetersäure erstmals reine Pikrinsäure her. Welter entdeckte auch das Kaliumpikrat durch Hitzeeinwirkung verpufft. Auch die Schlagempfindlichkeit von Kaliumpikrat blieb nicht lange unbemerkt. Man vermischte das Kaliumpikrat mit Salpeter und andren Stoffen. Diese Mischungen wurden in Hohlkugeln gefüllt, die beim Aufprall selbst ohne Zünder explodierten. Im amerikanischen Sezessionskrieg (1862–1865) kamen diese Geschosse in regen Gebrauch.
Die Pikrinsäure selbst galt als harmloser Farbstoff, man dachte, der Pikrinsäure fehle der Sauerstoff, um explosive Eigenschaften zu haben. Unter großem Aufsehen demonstrierte der französische Chemiker François Eugène Turpin (1848–1927) 1885 die Detonationsfähigkeit von Pikrinsäure durch Verwendung von Nobels Sprengkapseln.
Ab 1886 wurde Pikrinsäure unter verschiedenen Namen in der Militärtechnik verwendet:
- Melinite (Frankreich, 1886)
- Lyddit (England, 1888)
- Schimose (Japan)
- Granatfüllung 88 (Deutschland)
- Ekrasit (Österreich)
- Pertit (Italien)
Die auf den Schlachtfeldern verschossenen mit Pikrinsäure gefüllten Granaten brachten die Pikrinsäure nicht zur vollständigen Detonation. Unverbrauchte Pikrinsäure färbte die Haut der Soldaten knallgelb, man bezeichnete Sie daher als »Kanarien« oder »Kanarienvögel«.
Pikrinsäure reagiert mit Metallen zu sogenannten Pikraten. Gerade Schwermetallpikrate, wie Blei- oder Kupferpikrat, sind sehr schlag-, stoß- und reibungsempfindlich. Es kam daher sehr oft zu Rohrkrepierern, ungewollten Explosionen und spontan Detonationen. Diese Pikrate hatten die Pikrinsäure initialgezündet.
Innerhalb kürzester Zeit wurden sehr viele Explosionsunfälle verzeichnet:
- 1887 Cornbrook bei Manchester
- 1901 Griesheim bei Frankfurt a. M. in Deutschland
- 1903 Woolwich (England)
- 1917 Halifax (Kanada) u. a.
Um eine Reaktion der Pikrinsäure mit den Metallwänden zu unterbinden, wurden die Wandungen der Granaten verzinnt oder mit Lack bestrichen. [53], [54], [55], [56], [57].
6.4 TNT - 2,4,6-Trinitrotoluol
- Herstellung: mehrfache Nitrierung von Toluol
- Verwendung: Sprengstoff für Handgranaten und Bomben- bzw. Granatenfüllung
- Detonationsgeschwindigkeit: 6900 m/s
- Schlagempfindlichkeit: 15 J
- Reibeempfindlichkeit: > 353 N
- Elektrostatische Empfindlichkeit: 460–570 mJ
6.5 Nitropenta (Pentaerythrittetranitrat)
- Herstellung: Nitrierung von Pentaerythrit mit Salpetersäure (> 95 %)
- Verwendung: Sprengschnüre, Plastiksprengstoff, Blitzschnüre, Treibladungspulver, Pyrotechnik
- Detonationsgeschwindigkeit: 8400 m/s
- Schlagempfindlichkeit: 3–4.1 J
- Reibeempfindlichkeit: 60–93.0 N
- Elektrostatische Empfindlichkeit: 65–190 mJ